«Eine solche Initiative gab es in der Schweiz bisher nicht»

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«Eine solche Initiative gab es in der Schweiz bisher nicht»

Die «Supply»-Wirtschaft in der Schweiz will mit «MOVEMENT’32» zum grossen Sprung ansetzen. Gemeinsam soll in den nächsten zehn Jahren der nationale Güterkreislauf gestärkt werden. Zusammen mit den Akteuren der Güterversorgung in Einkauf, Logistik, Lagerung, Transport, internationaler Spedition, Verpackung, Recycling sowie Entsorgung. Im Interview: Andreas König, Direktor der Fördervereinigung «Swiss Supply» und einer der zentralen Taktgeber.

Welches sind die zentralen Herausforderungen und Chancen im Bereich der Lieferketten und der Versorgungssicherheit hierzulande?
Andreas König: Supply-Unternehmen und -Organisationen stellen tagtäglich unsere Güterversorgung sicher. Damit diese Selbstverständlichkeit auch so bleibt, haben wir mannigfaltige Herausforderungen zu lösen. Dazu zählt ganz sicher die fehlende Gesamtwahrnehmung unserer Wirtschaftsleistung. Das führt dazu, dass die gesellschaftliche Wertschätzung gering ist. Obwohl sich in den letzten Monaten und Jahren auf drastische Weise gezeigt hat, wie systemrelevant der «Supply»-Bereich ist.

Was genau zählen Sie zu «Supply»?
Zu «Supply» zähle ich alle Aufgaben, die zur Sicherstellung des Güterkreislaufes beitragen. Also Einkauf, Logistik, Lagerung, Transport, internationale Spedition, Verpackung, Recycling sowie Entsorgung.

Wie wichtig ist dieser Bereich für die hiesige Wirtschaft?
Im Güterkreislauf arbeiten direkt rund 300 000 Menschen. Nochmals doppelt so viele sind in ihrem Beruf indirekt mit Versorgungsaufgaben betraut, gesamthaft somit fast 20 Prozent der Arbeitnehmenden in der Schweiz.

Gibt es weitere relevante Herausforderungen zu lösen?
Unser Wirtschaftssegment leidet, wie viele anderen Geschäftsfelder auch, unter einem Mangel an Fachkräften und Arbeitskräften. Natürlich aufgrund des demografischen Wandels und auch aufgrund der Prioritäten der Generation Z, die sich im Arbeitsmarkt immer mehr etabliert sowie aufgrund des noch immer relativ tiefen Anteil von Frauen in allen Funktions- und Hierarchiestufen. Eine Zoom-Stufe weiter hinaus muss von einem Trend zur Re-Globalisierung gesprochen werden – Nearshoring und Beschaffung aus möglichst naher Umgebung werden immer wichtiger. Diese Entwicklung dürfte sich in den kommenden Jahren noch verstärken, zusätzlich befeuert von der Energiekrise. Die Summe all dieser Faktoren führt zu schwer vorhersehbaren Veränderungen in der weltweiten Supply-Chain-Landschaft und somit auch zu spürbaren Folgen hier in der Schweiz.

Gibt es zugleich auch Chancen, die es zu nutzen gilt?
Der Supply-Bereich hat eine hohe Systemrelevanz und kann von der wachsenden Bedeutung der Neo-Ökologie profitieren. Ökologische Fragen werden vermehrt durch neue Ideen und Technologien gelöst werden. Die Fortschrittlichkeit der Branche ermöglicht es Unternehmen, von kleinen Ein-Mann-Betrieben bis hin zu grossen Konzernen zu wachsen. Zudem gibt es vielseitige Entfaltungsmöglichkeiten für Karrieren sowie die Nähe zu Kunden und anderen Branchen. Das eröffnet interessante Perspektiven. Das steigende Gesamt-Frachtvolumen und die Möglichkeiten der Automation bieten Potenzial für Effizienzsteigerungen. Die zahlreichen Berührungspunkte zur Öffentlichkeit und ein ausgeprägter Berufsstolz sind weitere Pluspunkte. Die internationale Ausstrahlung und Krisenresistenz der Lieferkettenbranche machen sie zu einem wichtigen und sichtbaren Akteur. Zudem trägt der hohe digitale Reifegrad dazu bei, die Branche zukunftsfähig zu gestalten.

Der Verband «Swiss Supply», dem Sie vorstehen, hat die Bewegung «MOVEMENT 32» ins Leben gerufen. Was soll damit erreicht werden?
«MOVEMENT’32» ist eine breit abgestützte Bewegung zur Stärkung von SUPPLY in der Schweiz mit einem Zeithorizont von mindestens zehn Jahren. Wir fokussieren auf die Themen Nachwuchsförderung, Ausstrahlung und Wissensaustausch. Diese drei Handlungsfelder haben zum Ziel, einen relevanten Beitrag zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft zu leisten – auf Basis einer zeitgemässen und breit abgestützten Strategie, welche in den letzten Monaten von einem Projektteam mit Beratungssupport durch atedo AG erarbeitet wurde. In einem Satz zusammengefasst: Wir stärken den Güterkreislauf für die Schweiz.

Sie sprechen von einem Movement und nicht etwa von einer Initiative …
Wir beziehen unsere Daseinsberechtigung aus Aktivitäten und langfristig angelegten Massnahmen, die einzelne Unternehmen oder Organisationen nicht im Alleingang stemmen können. Diese Dimension von Aktivierung und Kommunikation wäre auch von Verbandsseite im Kontext SUPPLY nicht realisierbar. Es braucht also mehr und längerfristige Power. Deshalb auch der Ausdruck «Movement». Ein solches zeichnet sich gegenüber herkömmlichen Kampagnen oder zentral gesteuerten Initiativen durch zeitgemässe Qualitäten aus: Von vielen getragen, anstatt von wenigen gesteuert. Energie und Überzeugung statt Geld als Hauptantrieb. Wir forcieren ein Mitmachen und Teilen, statt nur ein zentrales Verbreiten und Instruieren. Zudem soll unsere Bewegung grundsätzlich off en für alle Interessierten anstatt nur einer limitierten exklusiven Gruppe vorbehalten sein.

An wen richtet sich das Movement’32 heute und in Zukunft?
In einer ersten Fundraising-Phase richtet sich die neue Bewegung fokussiert und exklusiv an zukünftige Träger und Partner. Bis zur Erreichung eines Minimalvolumens erfolgen Realisation von Massnahmen oder Leuchtturmprojekten mit Wirkung nach aussen step by step. Zentral ist eine möglichst breite Aktivierung von Unternehmen und Institutionen, die das Vorhaben finanzieren, sich engagieren und sinngebend mitwirken. In der Realisierung ab 2024 richten wir unsere Aktivitäten an sechs konkrete Zielgruppen: Kinder, Generation Z, Frauen und Familien, Quereinsteiger und Rückkehrer, Routiniers und Ü-65 sowie auch an unsere jetzt Beschäftigten.

Wie stellen Sie die Finanzierung sicher?
Die Finanzierung soll durch ein breit abgestütztes Feld von institutionellen und privaten Geldgebern mit dem Bekenntnis zu einem langfristig angelegten Engagement sichergestellt werden. Die Partner-Module in unterschiedlichen Investitionsgrössen und die Option zur dedizierten Unterstützung von Themen und Leuchtturmprojekten bieten ein vielseitiges Potenzial. Wir erhalten erfreulich positive Signale von interessierten Firmen und Personen und sind deshalb bezüglich erfolgreichen Gelingens sehr zuversichtlich.

Wie kann man Teil der Bewegung werden?
Unternehmen und Organisation können mit einem Partnership-Beitrag ab CHF 10’000 pro Jahr Teil des MOVEMENT’ 32 zu werden. Einzelpersonen unterstützen uns mit einem erschwinglichen Jahresbeitrag ab CHF 150. Je grösser die Zahl der Mitwirkenden zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, desto effizienter verbreitet sich die Bewegung. Und gut zu wissen: Alle Partner die dieses Jahr einsteigen, erlangen die exklusive «First Mover»-Auszeichnung. Jetzt also mitmachen! Weitere Infos und Kontakt über www.movement32.org.

Welche nächsten Schritte können wir konkret erwarten?
Sobald die Finanzierung sichergestellt ist, richtet sich unser Fokus ab 2024 auf die sechs priorisierten und unterschiedlich anzusprechende Zielgruppen. In enger Zusammenarbeit mit den Partnern werden dann effektive Massnahmen langfristig umgesetzt. Beispiele dazu: Nationale Präsenzkampagne und digitale Supply-Plattform, Aktivierung der Generation Z, Toolkit für Employer-Branding, Roadshows, Themenhefte und „Weissbuch Supply“. Dazu verstärkte gemeinsame Präsenz an Berufsmessen, in Schulen und im Verkehrshaus mit Ausbau der bestehenden «Logistik erleben!»-Ausstellung. «We like to move it!» und freuen uns auf viele Mitmoverinnen und Mitmover!

Interview: Mario Walser
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